Regelinsolvenz und Verbraucherinsolvenz
(auch genannt: Privatinsolvenz)
Kommt keine außergerichtliche Lösung zustande, sollte bei einer erheblichen Überschuldung nicht zu lange gezögert werden, durch Antrag bei Gericht ein Insolvenzverfahren einzuleiten.
Das gerichtliche Verfahren dauert zirka 1 Jahr und endet mit dem Schlusstermin und der ersten Restschuldbefreiung. Im Anschluss daran schließt sich die Wohlverhaltensphase an. Wenn Sie keine Pflichten oder Obliegenheiten verletzt haben, steht einer endgültigen Restschuldbefreiung nichts im Wege.
Das erfolgreiche Ende wird der Schufa mitgeteilt, so dass sich Ihr Scoring recht schnell erholen wird und Sie wieder kreditwürdig sind. In der Schufa bleibt der Eintrag entsprechend er gesetzlichen Verpflichtung noch 3 Jahre danach bestehen, wird aber als "erledigt" vermerkt.
Regelinsolvenz / IN-Verfahren
Bei Selbständigen (egal wie viele Gläubiger) und ehemaligen Selbständigen (mehr als 19 Gläubiger) ist ein Regelinsolvenzverfahren zu beantragen. Eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse muss nicht vorhanden sein, weil die Möglichkeit besteht, die Stundung der Verfahrenskosten zu beantragen. Diese Regelung ermöglicht in der Praxis jedem (ehemaligen) Selbständigen und Freiberufler, bei guter Vorbereitung des Antrages seine Tätigkeit trotz Insolvenz oder Überschuldung fortzusetzen und am Ende die Restschuldbefreiung zu erlangen. Nach Beantragung des Verfahrens, der Stundung und der Restschuldbefreiung durch die Kanzlei wird zunächst ein Gutachten über die tatsächlichen Verhältnisse des Schuldners durch den vorläufigen Insolvenzverwalter erstellt und im Anschluss daran das Insolvenzverfahren eröffnet. Da das Gutachten und die Einschätzungen des (vorläufigen) Insolvenzverwalters maßgeblich sind für die Freigabe der selbständigen Tätigkeit während der Insolvenz, ist eine gute Vorbereitung des Gutachtens und die umgehende Beantwortung all seiner Fragen unentbehrlich.
Verbraucherinsolvenz / IK-Verfahren / auch oft als Privatinsolvenz bezeichnet
Allen anderen natürlichen Personen (Angestellte, geringfügig Beschäftigte, Ehegatten ohne eigenes Einkommen, Bezieher von ALG I, II oder Erziehungsgeld, u.a.) steht die Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens offen.
Davor ist ein außergerichtlicher Einigungsversuch einer hierfür zugelassenen Stelle erforderlich.
Ich bin als Rechtsanwältin zur Durchführung eines solchen vorgeschalteten Verfahrens nach § 305 Insolvenzordnung berechtigt. Nach einem von der Kanzlei vorbereiteten und an alle Gläubiger zu versendenden außergerichtlichen Einigungsvorschlag mit Schuldenbereinigungsplan ist von mir eine Bescheinigung über das Ergebnis auszustellen. Danach sind innerhalb einer Frist von 6 Monaten beim zuständigen Amtsgericht/Insolvenzgericht (Wohnort des Schuldners) die Anträge auf Durchführung des Insolvenzverfahrens, der Stundung von Verfahrenskosten und auf Gewährung der Restschuldbefreiung zu stellen.
Drittantrag
Häufig wird bei Selbständigen und Freiberuflern ein sogenannter Drittantrag durch Finanzämter, die Minijobbörse oder Krankenkassen zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens gestellt, um den Schuldner zur Offenlegung all seiner Vermögensverhältnisse zu zwingen. Dann ist Eile und umgehendes Handeln geboten. Versäumt der Schuldner, den an kurze Fristen gebundenen Eigenantrag mit Stundung der Verfahrenskosten und Restschuldbefreiung zu stellen, wird es ihm unter Umständen erst wieder in Jahren nach Beendigung dieses Drittverfahrens möglich sein, einen eigenen Antrag mit Restschuldbefreiung zu stellen, und er wird bis dahin den Pfändungen der Gläubiger weiterhin ausgesetzt sein.
Das neue Insolvenzrecht ab 01.10.2020
Ab Eröffnung dauert das gesamte Insolvenzverfahren (gerichtliches Verfahren mit Wohlverhaltensphase) nur noch 3 Jahre!
Bei Verbraucherinsolvenzen gilt diese Verkürzung zunächst bis 30.06.2025.
Für Insolvenzanträge zwischen dem 17.12.2019 und 30.09.2020 verkürzt sich die Gesamtdauer anteilig monatsmäßig. Alle Verfahren mit Antrag vor dem 17.12.2021 bleiben in der Regelung von 2014.
Neben der Verkürzung auf 3 Jahre ist neu, dass auch über das Übliche hinausgehende Schenkungen - wie bisher Erbschaften - zur Hälfte vom Insolvenzverwalter kassiert werden. Vor der Schenkung sollte man sich deshalb mit einem entsprechenden Antrag beim Insolvenzgericht erkundigen, was der/dem Beschenkten von der Schenkung übrig bleibt.
Gewinne, wie z.B. Lotto, sind nun vollständig an den Insolvenzverwalter herauszugeben.
Im Insolvenzverfahren gibt es einen Anspruch auf selbständige Erwerbstätigkeit, z.B. als Handwerker. Dabei werden nicht Teile der Gewinne an den Insolvenzverwalter abgeführt, sondern ein monatliche Pauschale in Höhe eines durchschnittlichen Nettoeinkommens in der Branche, z.B. eines angestellten Handwerkers. Die Höhe war bisher immer umstritten. Eine zu hohe Abgabe schadet dem Schuldner, eine zu niedrige konnte zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen. Neu ist, dass die Höhe der monatlichen Abgabe bei Selbständigen nun vorher vom Insolvenzgericht festgelegt wird.
Das gilt wie bisher und seit der letzten Reform 2014:
Von der Erteilung der Restschuldbefreiung werden nicht umfasst:
- Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubter Handlung (Straftaten),
- Schulden, die durch Glücksspiel entstanden sind,
- Ansprüche aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, oder aus einem
- Steuerschuldverhältnis, sofern der Schuldner in Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist.
Problematisch ist dabei, dass fast alle alten Unterhaltsrückstände, die nach dem Unterhaltsvorschussgesetz von den Unterhaltsstellen geleistet wurden, aus der Restschuldbefreiung fallen und die Finanzbehörden dazu neigen werden, mehr Strafverfahren gegen Steuerschuldner zu veranlassen.
Gehaltsabtretungen zur Absicherung eines Kredits, werden in der Insolvenz seit 2014 nicht mehr berücksichtigt. Davor wurden diese Gläubiger 2 Jahre lang priviligiert. Das hilft bei außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen, weil die Banken dann eher zustimmen und den anderen Gläubigern mehr angeboten werden kann.
Mieter von Genossenschaftswohnungen sind seit 2014 auch besser geschützt. Das war lange überfällig, da ein Insolvenzverwalter alles auflösen konnte und dies in der Regel ohne Rücksicht auf den Verlust der Wohnung auch umgesetzt hat.
Seit 2014 besteht die Möglichkeit, auch als Verbraucher ein kurzes Insolvenzplanverfahren durchzuführen, das bezüglich Ihrer wirtschaftlichen Fähigkeiten aber an strenge Kriterien geknüpft ist. Hierzu ist es erforderlich, die Gläubiger von der Konsolidierung Ihres Haushalts zu überzeugen und diese zur Zustimmung eines plausiblen Entschuldungsplans zu bewegen. Die Eigenverwaltung gibt es bei Verbrauchern nicht. Zuständig ist der Insolvenzrichter.
Geltende Sperr- und Wartefristen bei Erst- und Zweitanträgen:
- Zweiter Antrag, wenn davor schon einmal Restschuldbefreiung erteilt wurde: 10 Jahre, wenn davor schon einmal Restschuldbefreiung nach 3 Jahren gem. neuer Regelung erteilt wurde: 11 Jahre
- Nach einer Insolvenzstraftat: 5 Jahre
- Bei Verletzung von Pflichten/Obliegenheiten in der Wohlverhaltensphase § 296 InsO: 3 Jahre
- Bei anderen Pflichtverstößen nach § 290 Abs.1 Nr. 5,6 7 InsO: 3 Jahre